Eigentlich sollte das hier ein kurzer und augenzwinkernder Bericht über einen Hammer-Fund vor einigen Tagen werden. Nun ist er ziemlich lang und nicht mehr ganz kindgerecht, aber es muss ja mal gesagt werden!
Das Heidentheater trieb sich nämlich in der Umgebung der Heidenkate herum und stieß auf einen Schaukasten. (Moderne Zeit natürlich – sowas hatten Wikinger noch nicht, und Runensteine sind zur Verbreitung von Terminen leider zu umständlich anzufertigen…) In diesem machte die Kirchengemeinde Haddeby Werbung für ihren Kinderbibelnachmittag – mit einem Thorshammer! Die evangelischen Pfandfinder in Haddeby nennen sich “Ansgars Erben” nach dem missionarischen Mönch und späteren Bischof Ansgar von Bremen, der als Apostel des Nordens gilt.
Ask und Embla erleben oft, dass der Hammer als Amulett auch in der modernen Zeit von vielen Leuten getragen wird. Einige tun das nach wie vor, weil sie dadurch an Thors Kampf gegen die riesischen Urgewalten erinnert werden, die einen auch als modernen Menschen bedrohen können. Im Winter scheinen die Eisriesen ja immer wieder die Herrschaft über unsere Gegend zu übernehmen. Das bringt vor allem Menschen in ihren ochsenlosen Schnellwagen, in sogenannten “Autos”, oft in große Schwierigkeiten. Somit könnte ein Thorshammer als Schutzamulett gerade für Reisende gelten, zumal auch Thor häufig mit einem Wagen unterwegs ist. Dieser wird allerdings nicht von Ochsen gezogen, sonder ist ein total hipper Ziegenwagen. Doch dazu irgendwann mehr.
Dann gibt es die vielen Menschen, die den Mjöllnir tragen, weil er für sie zur Metal-Musik gehört. Das haben Embla und Ask zuerst gar nicht verstanden, weil sie auch vom Metal wenig Ahnung hatten. Aber sie wissen inzwischen, dass diese Musikrichtung um 1990 stark von der skandinavischen Metal-Szene beeinflusst wurde, aus der unter Verwendung der örtlichen Mythologie in den Texten dann der Pagan- und der Viking-Metal entstanden. So kann man es jedenfalls ganz kurz beschreiben, richtige Fachleute für Metal sind Embla und Ask nicht. Sie wissen immerhin, dass sich Amon Amarth trotz der üppigen Verwendung des Mjöllnirs als Bandsymbolik nicht als Viking-Metal-Band, sondern als Death-Metal-Band bezeichnet – Nicht, weil der Bandname nichts mit Wikingern zu tun hat, sondern aus dem `Herrn der Ringe´ stammt, sondern weil sich diese Einteilung nur “auf den textlichen Aspekt, nicht aber auf die Musik” bezieht. Die zusammenfassende Bezeichnung `Viking Metal´ für Bands wie Enslaved, Einherjer, Ensiferum und Thurisaz sei “völliger Quatsch [...], weil das völlig verschiedene Bands sind.” (Zitat Johan Hegg). Übrigens fand einer der ersten Auftritte des Heidentheaters vor einigen Wikingern statt, die maßgeblich an den Bühnenshows für Amon Amarth und Manowar beteiligt sind! \m/
Leider wird der Thorshammer auch von Leuten aus der rechten Szene getragen (die sich oft nicht als “rechts”, sondern als “nationalkonservativ” bezeichnen), und die in Germanen und Wikingern Leute sehen, die sich gegen “fremde Einflüsse” vor allem aus “südlichen Ländern” kämpferisch zur Wehr setzten. Das zeigt einmal mehr, wie krampfhaft die Weltbilder dieser Menschen sind und wie wenig sie sich für Tatsachen interessieren. Die geschichtliche Überlieferung ist durchaus geprägt von Berichten über kriegerische Raubzüge der Wikinger. Die Archäologen finden jedoch immer wieder Belege, dass das Leben der Wikinger nicht allein aus Kampf und Raub und dem menschenverachtenden aber lukrativen Sklavenhandel bestand. Ihre an Kunstfertigkeiten reiche Kultur begründete sich in langer Tradition auf Austausch und Neugier mit und auf fremden Kulturen inklusive ihrer jeweiligen Handwerkstechniken, Gebräuche und Weltbilder. Die familiären Verbindungen waren zwar wichtig, häufig wurde allerdings auch jemand “fremdes” in die Sippe aufgenommen und, so zeigen uns aufwändige Bestattungen, nach Leistung für die Gemeinschaft und nicht nach Herkunft, Aussehen oder Behinderung beurteilt. Die Tradition so einer Haltung belegen nicht nur nordeuropäische Funde aus der mitteren Bronzezeit. Die königswürdige Oseberg-Bestattung für zwei Frauen, die mit ihrer Herkunft aus der Schwarzmeerregion in Skandinavien als “Ausländerinnen” zu bezeichnen sind, bietet diesbezüglich ein wikingerzeitliches Beispiel, das nicht ins braune Weltbild der Rassenquassler passt. Die Interpretation der sterblichen Überreste, wonach die eine der beiden Frauen vielleicht behindert gewesen sein könnte, erst recht nicht!
Als Amulett getragen sollten besonders die prächtigsten der vielen Thorshammerfunde wahrscheinlich ein trotziges Festhalten an den alten Göttern deutlich machen, denn sie stammen aus der Zeit, als sich das Christentum immer stärker im Norden ausbreitete. Berühmt ist in diesem Zusammenhang der Pragmatismus, den Handwerker der Wikingerzeit mit der Verwendung von Gussformen sowohl für Kreuzamulette als auch für Thorshämmer an den Tag legten. So etwas gefällt Ask und Embla!
Zum Kotzen finden sie dagegen den Missbrauch dieses Symbols von Menschen, die sich durch Intoleranz auszeichnen! Die Tolenranz des Heidentheaters hat dort ein Ende, wo sie Meinungen tolerieren müsste, die letztendlich Toleranz und Meinungsfreiheit abschaffen wollen. Wie viele andere Heiden haben sie keinen Bock mehr, dass die unsinnige Verwendung des Thorhammers durch einzelne Nazis ihn (zumeist südlich der Elbe) in so ein Zwielicht stellt!
Um zum Anfang des Artikels zurück zu kommen: Es gibt gerade in Schleswig-Holstein viele Leute, die einen Thorshammer allein aus archäologisch-geschichtlichem Interesse heraus tragen oder ihn vielleicht als Symbol für ihre heimatlichen Wurzeln sehen. Sie denken sich dabei nichts Heidnisches oder gar Politisches. Auch das finden Embla und Ask sehr schön.
Die beiden nehmen nicht an, dass sich die Christen in Haddeby bei der Verwendung des Hammers mehr gedacht haben als dass er ein archäologischer Fund aus nächster Nachbarschaft ist. Ein interessanter Fund, in dem Kreuz und Hammer miteinander verbunden sind – vielleicht sollte das Heidentheater über ihn mal ein Stück spielen? (Wer unsere Vorstellungen schon erlebt hat, weiß eventuell, warum Ask einen Thorshammer “mit einem Nupsi unten dran” trägt. ) Wohlmöglich wurde dieser Hammer auch im Ansgarhaus in eine kindgerechte Geschichte über die “Heidenmission” eingebunden? Embla und Ask meinen jetzt aber, dass das Thema Mission ein heißes Eisen ist, welches den Rahmen dieses Artikels endgültig sprengen würde. Das Heidentheater hat mit seinen Auftritten jedenfalls keine missionarischen Absichten. Wenn Kinder Spaß an den Geschichten haben, dann liegt das sowohl an der noch heute spürbaren Faszination der nordischen Mythologie als auch am abenteuerlichen Ruf der Wikinger. Den benutzt die Jugendarbeit von St. Andreas in Haddeby ebenfalls. Und schändlicherweise tun das leider auch diejenigen, die sonst auf Eso-Quatsch-Symbole abfahren…